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Erkki Ahonen: Blackboxbaby
Roman
Deutsche Erstübersetzung aus dem Finnischen von Miikka Müller
Mit einem Nachwort des Übersetzers
Herausgegeben in der Reihe Zwielicht von Monika Oertner und Judith Supper
Umschlaggestaltung Jörn Bach
Waldgut Verlag Frauenfeld
2008
Papierband geb. mit schwarzer Fadenheftung, Lesebändchen und Schutzumschlag. 128 Seiten
ISBN 978-3-03740-379-2, antiquarisch erhältlich
Wie entsteht Bewusstsein? Kann man den Prozess beim Heranwachsen eines Fötus, eines Kindes beobachten oder gar steuern? Lässt sich ein Bewusstsein nach Gutdünken formen? Diesen Fragen geht ein Forscherteam in einem geheimen Labor der Zukunft nach. Zunächst stellt keiner der Wissenschaftler das Experiment in Frage. Doch als das heranwachsende «Hirn im Tank» eine eigene Persönlichkeit und schließlich exorbitante Fähigkeiten entwickelt, als es kurzerhand die Leitung des Projekts übernimmt und zu einer überlegenen Macht geworden ist, werden die Forscher von ihrer Verantwortung eingeholt. Indem sie das Blackboxbaby mit allen Datenkanälen vernetzten und mit dem gesamten Menschheitswissen versorgten, haben sie ein Wesen erschaffen, dass der Welt nun den Spiegel vorhält.
Erkki Ahonen gilt seit den 1960er Jahren als wichtigster Science-Fiction-Autor Finnlands. Blackboxbaby, sein philosophisch tiefgründiger Schlüsselroman von 1972, wurde trotz seines Pionierstatus im finnischen Sprachraum nie übersetzt, weder ins naheliegende Schwedische noch ins Englische oder Deutsche. Selbst auf Finnisch ist es auch antiquarisch kaum noch aufzutreiben, obwohl es in vielen Chatrooms als Geheimtipp gehandelt wird und eine eingeschworene Fangemeinde besitzt. Mit diesem Band der Reihe Zwielicht eröffnen sich also bisher hermetisch verschlossene Lesewelten!
Die philosophischen Fragen zu Menschenwürde, Persönlichkeit, Freiheit und Selbstbestimmung, zu Wahrnehmung, Bewusstsein und Gesellschaft, die innerhalb des spannenden Science-Fiction-Kammerspiels aufgeworfen werden, sind angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten und der vielerorts noch gewachsenen sozialen Schieflage vielleicht sogar aktueller als beim ersten Erscheinen des Buches.
Deutsche Erstübersetzung.
Die Originalausgabe erschien 1972 unter dem Titel Tietokonelapsi bei Gummerus Helsinki.
Leseprobe
«Wir Codierten sprachen untereinander nicht darüber. Zweifel, private Ansichten und Vorurteile hatten wir vor der Türe gelassen. Unsere Aufgabe war es, ein Bewusstsein beim Erwachen zu beobachten und nach Kräften zu unterstützen. Zuweilen diskutierte ich mit dem Kind über diese Dinge, und es akzeptierte unsere Sicht.»
Pressestimmen
«Die Prosa hat auch in der Übersetzung etwas Nüchternes, Reduziertes, Genaues – so entsteht ein Eindruck kühler Sachlichkeit, von der ausgehend sich angesichts der ethischen Fragwürdigkeiten des Experiments eine subtile Beklemmung entfaltet. (...) Ein Roman, der zwar nicht ganz ungealtert, aber aufgrund seines hohen Abstraktionsgrades recht zeitlos wirkt und der durch seinen Ton zu fesseln vermag – und der zeigt, dass Fragen um Ethik und Moral den forschenden Menschen immer begleiten werden und müssen.» Elina Kritzokat, Jahrbuch für finnisch-deutsche Literaturbeziehungen
«In Finnland gilt dieser längst vergriffene Roman als eine Art Kultbuch, ein verborgener Klassiker. Der kopflastige Roman ist in der Tat eine interessante Variation des Themas Superhirn, er enthält manche Einfälle, die als Gedankenanstoß dienen können, aber nicht voll ausgeführt werden. Es ist ein interessanter, gedankenvoller Beitrag in dem meist übermäßig handlungsbetonten, Space-Opera-dominierten SF-Angebot.» Franz Rottensteiner, Quarber Merkur
«In einem Geheimlabor wird ein ‹Hirn im Tank› entwickelt, das Blackboxbaby. Verbunden und versorgt mit dem gesamten menschlichen Wissen wird es schnell selbständig und übernimmt die Kontrolle über sich und die anderen. Nun ist nur noch die Frage, wie und wofür Blackboxbaby seine gewaltige Macht einsetzt. Der 1932 geborene Erkki Ahonen gilt als wichtigster Science-Fiction-Autor Finnlands. In diesem hervorragenden Roman behandelt er höchst philosophische und aktuelle Fragen zu Menschenwürde, Freiheit und Selbstbestimmung, Bewusstsein und Gesellschaft.» 20Minuten, Zürich
«Erkki Ahonen behandelt ein in der Science Fiction bekanntes Thema, nämlich das der Superintelligenz und des Supercomputers, der Kontrolle über die ganze Menschheit anstrebt. Allerdings geht es dem Autor hier weniger um Action und Spannung, sondern mehr um die psychologischen, gesellschaftlichen und philosophischen Fragen, die der Icherzähler mit dem Kind diskutiert.» Fantasia
«Blackboxbaby ist kein leichter Roman. Dies heißt allerdings nicht, dass er etwa langweilig ist. Er ist anspruchsvoll, tiefgründig und provokativ. Dabei greift Ahonen den damaligen Zeitgeist auf und verarbeitet soziale Ängste und Diskussionen, die heute nichts von ihrer Aktualität verloren haben: Genforschung, atomare Bedrohung, Medienmanipulation. Bereits Anfang der 70er Jahre nimmt er die Idee des Internets vorweg. (...) Mit Sicherheit beruft sich Ahonen auf Romane wie „Donovans Hirn“ oder „Colossus“. Aber der finnische Autor geht noch einen Schritt weiter, indem er tiefgründiger über das Menschsein debattiert, wobei stets die Frage des Individuums im Zentrum steht. Diese Fragen interessieren das Wesen am meisten, da es selbst nicht weiß, ob es nur Teil oder Alles ist. Die Diskussionen (...) sind spannend und regen zum Nachdenken an. Es ist so, wie es der Übersetzer Miikka Müller sagt: Der Roman bleibt einem durch seine Eindringlichkeit im Gedächtnis haften. – Eine wahre Entdeckung, die hoffentlich weitere nach sich zieht!»
Max Pechmann, FictionFantasy.de
«Obwohl der Roman in den frühen siebziger Jahren geschrieben worden ist, extrapoliert Ahonen nicht nur die atomare Bedrohung durch «Terroristen» und den leichtfertigen Umgang insbesondere der Politiker mit Atomwaffen/Atomenergie, sondern setzt sich sehr konkret und realistisch mit einem globalen Datennetz auseinander. (...) Darüber hinaus bestimmt die zweite Hälfe des Buches die Auseinandersetzung mit den Widersprüchen der menschlichen Zivilisation. (...) Das Blackboxbaby versucht nicht nur, den Hass aus dem Unterbewusstsein der Menschen zu befreien, sondern versucht diese für ihn nur schwer verständlichen Emotionen auf sich zu projizieren. Mit diesem indirekten Schritt soll sich auch die wirkliche Welt ändern, der Finne beschreitet diesen auch literarisch kritisch zu sehenden Weg über die Gestalt des Sehers, wie Müller in seinem Nachwort extrapoliert. (...) Ahonen reizt den Leser mit einigen sehr zeitlosen Thesen, stiehlt sich an anderen Stellen allerdings auch nach der entsprechenden fragentechnischen Provokation konsequent aus der Verantwortung, zumindest eine diskussionswürdige Antwort zu geben. Trotz dieser Schwächen ist die Veröffentlichung des Blackboxbabys zum ersten Mal in deutscher Sprache begrüßenswert, vor allem öffnet das Buch die Tür in den bislang eher unterrepräsentierten skandinavischen Raum einen Spalt weiter. Die angesprochenen Sehnsüchte und Ängste sind von globaler Natur, in gewisser Weise zeitlos und heute noch aktuell.»
Thomas Harbach, SF-Radio.net
«Dieser 1972 erschienene Roman stellt die wichtigen philosophischen Fragen nach Menschenwürde, Selbstbestimmung, Bewusstsein und Gesellschaft und nimmt viele Dinge vorweg, die heute gar nicht mehr so utopisch klingen (...).» Heidrun Fruggel, ekz-Informationsdienst
Der Autor Erkki Paavali Ahonen
* 1932 in Kiuruvesi, Finnland, gest. 2010 in Turku, Finnland. Die Eltern, Paavo Vilhelmi Ahonen und Inka Maria Rantonen waren Kleinbauern. Gymnasialzeit in Iisalmen, dann geisteswissenschaftliche Studien an der Universität Turku bis 1958. Vier Kinder, von 1956 bis 1967 verheiratet. Arbeitete als Lehrer in Kiuruvesi und Zentralfinnland. Seit 1960 zahlreiche Buchveröffentlichungen in finnischer Sprache: Gedichte, Romane, Kurzgeschichten, Theaterstücke, Science-Fiction. 1968 wurde Erkki Ahonen mit dem nationalen finnischen Literaturpreis ausgezeichnet. In letzter Zeit publizierte er seine Kurzgeschichten auch im Internet.
Der Übersetzer Miikka Müller
* 1969 in Turku in Südfinnland, gest. 2020 in Konstanz. Im Alter von zehn Jahren Umzug in die Schweiz, wo die Mutter bei der pharmazeutischen Industrie Arbeit gefunden hatte. Miikka wächst mit seinen drei Geschwistern in Basel und im Thurgau auf und macht 1989 in Konstanz Abitur. Nach dem Schweizer Militärdienst folgen Studien mehrerer natur- und geisteswissenschaftlicher Fächer in Konstanz und, ab 1993, in Berlin. Seit 2005 lebte Miikka Müller als Übersetzer und Freischaffender wieder in Konstanz und kümmerte sich um seine Ziehtochter. Er starb 2020 mit 51 Jahren an Krebs.
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